Die Ordensschwester

Domenica Dethomas

Priorin Domenica Dethomas im Val Müstairl
Im Jahr 774 geriet Karl der Grosse als frisch gekrönter König der Langobarden auf dem Umbrailpass in einen Schneesturm. Er gelobte zu Gott im nächstgelegenen Dorf ein Kloster zu errichten, wenn er den Sturm überleben sollte. Er hat überlebt und sein Wort gehalten: Die Klosteranlage wurde noch im selben Jahrhundert fertiggestellt. Seit dem 12. Jahrhundert ist das Kloster St. Johann ein reiner Frauenkonvent und von 2013 bis 2019 die oberste Aufgabe der einheimischen Ordensschwester, Priorin Domenica Dethomas.

«Das war ein schöner Schreck»

So beschreibt Sr. Domenica ihre Wahl zur Klostervorsteherin. Am 13. Oktober 2012 wurde sie von ihren Mitschwestern in das höchste Amt gewählt und am 28. Januar 2013 – zum Fest Karls des Grossen – vom Bischof zur Priorin geweiht. Bis zum 2. Oktober 2019 leitete die gebürtige Münstertalerin das Kloster St. Johann in Müstair in ständiger Präsenz und mit viel Hingabe. Das Weltkulturerbe steht nur wenige Meter vom Geburtshaus der ehemaligen Priorin entfernt, deren grösster Schritt im Leben wohl nicht die Wahl zur Priorin war, sondern eher der Entscheid, sich dem Kloster zu verschreiben.

Ganz oder gar nicht

Wie und warum wird man eigentlich Nonne? Laut Sr. Domenica spielt oft ein starker innerer Antrieb eine bedeutende Rolle beim Entscheid. So wie sich Domenica vor rund 50 Jahren regelrecht dazu berufen fühlte und den «grossen Schritt» machte. Mit allen Konsequenzen: Sie hat sich entschieden Familie und Freunde zurückzulassen – ohne deren Verständnis – und nahm auch den Verzicht auf kleine Annehmlichkeiten in Kauf. «Ich trug so gerne schöne farbige Kleider», erinnert sich die Priorin. «Wenn man ins Kloster geht wird man aber quasi ein neuer Mensch und ein neuer Mensch bekommt auch einen neuen Namen», und so wurde aus Gina Dethomas eben Schwester Domenica.

Leidenschaftliche Pädagogin

Als Priorin vertrat Sr. Domenica die Klostergemeinschaft gegen aussen und unterrichtete die Nonnen – darunter auch zwei Philippininnen – im Religiösen. Eine Aufgabe, die ihr sehr liegt. So durfte die gelernte Kindergärtnerin ihren Beruf auch innerhalb der Klostermauern weiterhin ausüben, als Sie mit 25 Jahren eintrat. Für dieses Privileg ist sie bis heute dankbar. Und wohl nicht nur sie, denn zahlreiche Münstertaler Kinder gingen in den vergangenen Jahrzehnten bei «Sour Domenica» in den Kindergarten – darunter auch die berühmten Langläufer Dario und Gianluca Cologna.

Beten für die Welt – und für die «Flyers»

Die Hauptaufgabe der Benediktinerinnen besteht jedoch im Dienst für die Gemeinschaft. Wer sich dazu verpflichten will, gerne betet und eine solide religiöse Basis hat, ist herzlich willkommen dem Orden beizutreten. Beten für die Welt erfordert auch ein gesundes Mass an Austausch und Kontakt zur Aussenwelt. Trotz Klausur erfahren die Schwestern über Nachrichten, Medien und Fernseher, was «draussen» so passiert. Und sie machen kein Geheimnis um Ihre Begeisterung für den Hockeysport. «Ganz besonders der Club der EHC Kloten Flyers’ schafft es immer wieder einmal in die Gebete der Nonnen von Müstair» verrät Sr. Domenica.

Kloster St. Johann

Attraktiver Alltag

Ihren Entscheid, ins Kloster zu gehen, bereut Sr. Domenica bis heute kein bisschen. Das Klosterleben fordert durch die 73 Kapitel der Benediktsregeln zwar Bescheidenheit. Dennoch ist der Alltag der Nonnen überaus erfüllt. Dies nicht zuletzt auch durch die zahlreichen Arbeiten, welche im und um das berühmte Kloster anfallen. Zudem würzt Sr. Domenica mit einer Prise Humor das Leben der Benediktinerinnen von Müstair. Schliesslich habe der heilige Benedikt die Regeln seinerzeit für Mönche geschrieben, «…also nur für Männer. Und so gelten sie ja nicht zwingend auch explizit für uns Klosterfrauen», scherzt die resolute Münstertalerin zum Abschied.

Innenhof Kloster St. Johann
Karl der Grosse in der Kirche und Heiligkreuzkapelle.
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